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Christian Kravagna

Incarnadine and Incarnation

The term "body" is appropriate for Thomas Jocher's flesh-colored pillow-type objects for two different reasons. Regardless of their particular form, they are, as three-dimensional objects. "bodies" in a purely physical sense. In their imagery, however, these works are related to bodies in the human sense.

While this statement could apply to any representational sculpture, we see it in a different light when we consider that traditional sculpture as a matter of course embraces both categories of the body- the material as well as the symbolic- and utilizes them unquestioningly for the purpose of conveying higher meanings. Since the actual physicalness of sculpture became a subject of analysis for the Minimalists, the question arises as to where the referential physicalness would have been subjects to a comparable abstract movement. Even if, for example, the work of Louise Bourgeois or Eva Hesse could offer us help in answering this question, they also show the limits of the project of abstract physicalness. The danger is losing sight of either the body or the abstract- which then means either becoming truly unrepresentative or becoming figurative again. This is precisely the niche that Jocher' objects inhabit. The idea : talking about the body without defining it as a figure.

The segue to Jocher's pictures at this point is justified by the analogy of their relationship to space. Here, too, Thomas Jocher has borrowed from a classical idea. For centuries, sculpture has been equated with the body just as painting has been equated with illusory space. Jocher has intensified the latter to the extreme of a radicalized perspective. His abstract illusionism condensed classical painting by absolutizing its basic determinants - space and body - as both cosmic and microcosmic spaces of fleshly appearance.

While this painting style does without concretized physicalness, it does employ its condition: flesh as a privileged element is expressed in a way appropriate to the abstract space - as incarnadine given its independence. These pieces are presented truly in the style of the "vernaccio" of the early Italians: on a dark background with a green undercoating. They allude to the history of painting, as does the space's design, while insisting, as does the radicalized whirlpool perspective, on the presence of the abstract.

Jocher's wall objects execute the step from incarnadine to incarnation - i.e., in the picture's logic the step from the visible skin to the palpable flesh. The curves and folds of the picture-bodies, their tangible anthropomorphic sensuality and, at the same time, apparent artificiality confronts objectified flesh as a fragment of the physical integrity of their vis-à-vis. The romantic idea of the body's path (artist - work - recipient) experiences not only in its reification a sarcastic break. When one considers Jocher's original motivation for designing pillow objects - namely his disillusionment that every picture ultimately becomes furniture - the question of what suspicious physicalness is hanging on the wall becomes even more volatile. But what does this say about the artist's subjectivity?




Christian Kravagna

Inkarnat und Inkarnation

Die fleischfarbenen Polsterobjekte von Thomas Jocher sind in zweifacher Hinsicht mit dem Begriff des Körpers zu belegen. Als plastische Objekte sind sie, ungeachtet ihrer spezifischen Gestalt, Körper im physikalischen Sinne. In ihrer Bildhaftigkeit aber beziehen sie sich auf den Körper als Leib.

Was so formuliert für jegliche figurative Plastik gelten könnte, erscheint in anderem Licht, wenn bedacht wird, daß traditionelle Skulptur beide Kategorien des Körpers - die materielle wie die zeichenhafte - in Selbstverständlichkeit annimmt. sie nicht selbst thematisiert, sondern zum Zwecke übergeordneter Aussagen unbefragt in den Dienst nimmt. Wahrend die faktische Körperlichkeit der Skulptur dem Minimalismus zum Gegenstand der Analyse wurde, so ist zu fragen, wo auf der anderen Seite die referentielle Körperlichkeit einer vergleichbaren Abstraktionsbewegung unterworfen worden wäre. Auch wenn etwa das Werk von Louise Bourgeois oder Eva Hesse Ansätze zur Beantwortung dieser Frage böte, so zeigen sich daran zugleich die Grenzen des Projekts abstrakter Körperlichkeit nach zwei Seiten hin, nämlich entweder den Körper oder aber das Abstrakte aus den Augen zu verlieren, was dann heißt, tatsächlich ungegenständlich oder eben wieder figurativ zu werden. Genau das ist die Nische, in der Jochers Objekte agieren: vom Körper zu reden ohne ihn (als Figur) zu definieren.

An dieser Stelle legitimiert sich der Schwenk zu Jochers Bildern durch die Analogie ihrer Auffassung von Raum. Auch da knüpft Thomas Jocher an eine klassische Vorstellung an. Der jahrhundertelangen Gleichsetzung von Skulptur und Körper entspricht die der Malerei mit illusionärer Räumlichkeit Letztere steigert Jocher ins Extrem einer radikalisierten Perspektive. Sein abstrakter lllusionismus komprimiert die klassische Malerei durch die Verabsolutierung ihrer grundlegenden Determinanten Raum und Körper zu unentscheidbar kosmischen oder mikrokosmischen Räumen fleischlicher Erscheinung.

Wenn diese Malerei ohne konkretisierte Körperlichkeit auskommt, so verzichtet sie nicht auf ihre Bedingung: Fleisch als privilegierter Bildgegenstand kommt so zur Aussprache, wie es der abstrakten Räumlichkeit entspricht: als zur Selbständigkeit befreites Inkarnat. Vorgetragen tatsächlich in der Art des vernaccio der alten Italiener, aus dunklem Grund heraus und mit grüner Untermalung, verweist es wie die Raumkonstruktion auf die Geschichte der Malerei, besteht aber wie die zum Tiefensog radikalisierte Perspektive auf der Präsenz des Abstrakten.

Jochers Wandobjekte vollziehen den Schritt vom Inkarnat zur Inkarnation, d. h. in der Logik des Bildes von der sichtbaren Haut zum tastbaren Fleisch. Die Wölbungen und Falten der Bild-Körper, ihre greifbare anthropomorphe Sinnlichkeit und zugleich offensichtliche Künstlichkeit konfrontieren objektiviertes Fleisch als Fragment der leiblichen Integrität ihres benachbarten Gegenübers Die romantische Idee vom Weg des Körpers (Künstler - Werk - Rezipient) erfährt nicht nur in dessen Verdinglichung eine sarkastische Brechung, brisanter noch wird die Frage, welch dubiose Körperlichkeit da eigentlich an der Wand hänge. wenn man Jochers ursprüngliche Veranlassung zur Verfertigung von Polsterobiekten mitbedenkt, die desillusionierte Einsicht nämlich, daß letztlich jedes Bild irgendwann zum Möbel werde Was aber mag das für die Subjektivität des Künstlers heißen?